Geschichte: Wie alles begann

Quelle: 75 Jahre Zürcher Wanderwege ZAW, 1933-2008, Geschichte - Aufgaben - Zukunft, Heinz Binder


Das Wandern wird gesellschaftsfähig: Ein Blick zurück

Ab dem Spätmittelalter waren neben Einzelpersonen vor allem wissenschaftlich und literarisch-philosophisch tätige Personen unterwegs und erkundeten neue Gegenden. Der Universalgelehrte Francesco Petrarca beispielsweise bestieg 1336 aus reiner Neugierde den Mont Ventoux in der Provence. Er gilt als erster Wanderer und zugleich Begründer des Alpinismus. Erst in der Epoche der Aufklärung, rund 400 Jahre später, wurde dann das Wandern tatsächlich Mittel zum Zweck. Die Idee war, sich im Freien umzusehen, die Natur zu ergründen und andere Menschen und ihre Lebensweisen kennenzulernen. Das Reisen war geboren.

Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die Bevölkerung dank der Eisenbahn mobiler. Man war nicht mehr gezwungen, alles von zu Hause aus zu Fuss zu erkunden. So weitete sich der Aktionsradius aus. Richtig populär wurde das Wandern aber erst um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert, als 1901 der “Wandervogel”, die Ursprungsgruppe der deutschen Jugendbewegung, gegründet wurde, “deren Mitglieder in Wandern, naturgemäßer Lebensweise, Pflege von Volkslied und Volkstanz einen neuen Lebensstil suchten”. 1907 schwappte die Wandervogelbewegung in die Schweiz über. Auch hier war es eine Jugendbewegung und bedeutete das Ausbrechen aus starren, verhärteten Überlieferungen der damaligen Gesellschaft.

Nach dem 1. Weltkrieg veränderte sich das Arbeits- und Freizeitverhalten der Bevölkerung. Das Zu-Fuss-Gehen wurde in den Hintergrund gedrängt bzw. die Fussgänger und Wandernden von der Strasse gedrängt. Dies musste auch Johann Jakob Ess, ein Lehrer aus Meilen, erfahren.  Er wanderte mit seiner Schulklasse über den Klausenpass, damals noch auf der Strasse. Wegen des starken Verkehrs marschierte die Gruppe in Staub- und Abgaswolken und musste immer wieder den Autos ausweichen. Als Reaktion und auf seine Initiative hin wurden attraktive Routen festgelegt und für Spaziergänger und Wandernde signalisiert.

1933: Gründung der Zürcherischen Arbeitsgemeinschaft für Wanderwege

So war es wiederum Johann Jakob Ess, der zusammen mit dem damaligen Sekretär der Stiftung Pro Juventute und des Bunds der Schweizer Jugendherbergen, Otto Binder, 1933 die erste kantonale Arbeitsgemeinschaft für Wanderwege, die Zürcherische Arbeitsgemeinschaft für Wanderwege Z.A.W. gründete. Die ersten markierten Routen führten von Zürcher Tramendstationen weg und im Bogen zurück zum Tram. Das Echo über die Gründung war so gross, dass das Pendant auf nationaler Ebene ein Jahr später, 1934, folgte. So ging es Schlag auf Schlag weiter. Begeisterte Wandernde in verschiedenen Kantonen gründeten Vereine, die sich an die Planung geeigneter Routen und an deren Signalisation in ihrem Kanton machten.

Einheitliche Markierung

Bereits am Gründungstag wurde ein für die ganze Schweiz einheitlicher Wegweisertypus – gelbe Tafeln, schwarze Schrift –  festgelegt, der bis heute Bestand hat. Später kamen die Wegkategorien Bergwanderweg in Weiss-Rot-Weiss und – seit etwas mehr als zehn Jahren erst – Alpinwanderweg in Weiss-Blau-Weiss hinzu.

Warum sind denn die Wanderwege gelb signalisiert?

Aus: Magazin WANDERN.CH, Ausgabe 2018-3, Gipfelgespräch mit Hans und Peter Ess von Rémy Kappeler 

"Mein Vater hätte ja am liebsten Grün gehabt. Ich (Hans Ess) erinnere mich noch an jenen Tag, als uns der Zahnarzt mit seinem Auto an den Waldrand kutschierte. Wir hatten damals ja selber noch kein Auto. Ein Maler hatte Muster von Wegweisern in verschiedenen Farben angefertigt. Wir merkten schnell: Wenn man einen grünen Wegweiser in einen Baum hält, sieht man ihn nicht mehr. Orange oder Rot wollte mein Vater nicht haben, denn er war leicht farbenblind, und die grellen Farben taten ihm weh in den Augen. So wurde also beschlossen, dass Gelb passend war. Gelb gefiel meinem Vater. Um nicht mit der Post verwechselt zu werden, wählten sie dann ein etwas anderes Gelb, ein etwas schmutzigeres." (...)

"Doch nicht immer decken sich die Erinnerungen der beiden Brüder. Die Wahl der Farbe Gelb für die Wegweiser erzählt Peter Ess anders: Der Vater habe einen Ausfug in den Schwarzwald unternommen. Dort sei das dichte Netz der Wanderwege mit ganz unterschiedlichen Farben signalisiert und die Distanzen seien in Kilometern angegeben gewesen. Jakob Ess habe es besser machen wollen. Er sei also nach Bern gefahren und habe in einem Departement vorgesprochen, um darauf zu bestehen, dass die Distanzen in Stunden und Minuten angegeben würden und um eine Farbe für die Wegweiser zu finden. Man habe ihm Gelb zugesprochen – wie die Farbe der Postautos."

Zweiter Weltkrieg: Vorübergehende Entfernung aller Wegweiser

Nach knapp sechs Jahren Aufbauarbeit machte der Zweite Weltkrieg alle Markierungsanstrengungen zunichte. Aus militärischen Gründen musste die gesamte Wegweisung entfernt werden. Darunter fielen auch mehrere hundert Wanderwegschilder im Kanton Zürich. Der Vorstand nutzte diese Zeit aber clever aus, indem er weitere Routen bearbeitete, die Markierung vorbereitete und die neuen Wegweiser in Auftrag gab.

Wandervorschläge und erstes Wanderbuch

Als Ersatz für die fehlenden Wegweiser hat der Vorstand entschieden, Wandervorschläge als Buch herauszubringen. “Auf Wanderwegen rund um Zürich”, verfasst von Vorstandsmitglied Emil Erb, erschien 1943 im Orell Füssli Verlag. Die Wandervorschläge verbinden die Endstationen der Verkehrsbetriebe.

Erste geführte Wanderung

Bereits 1940 befasste sich der Vorstand mit dem Thema geführte Wanderungen. Die Diskussion verlief immer sehr kontrovers. Hauptargument war stets, dass Wandern kein Massenerlebnis sein soll. Es war dann wieder Johann Jakob Ess, der das Thema 1945 aufbrachte. Denn solche Wanderungen waren in Bern ursprünglich als Ersatz für fehlende Wegweiser und während dem Krieg durchgeführt worden. Am 11. September 1949 war es dann soweit: Mit 320 Personen und in Zusammenarbeit mit der SBB fand eine “Wanderfahrt ins Tösstal” aus Anlass der Sanierung der Guyer-Zeller-Wege statt. Die erfolgreiche erste Durchführung zeigte, dass ein Bedürfnis für solche geführten Wanderungen vorhanden sei. Johann Jakob Ess wurde beauftragt, zusammen mit der SBB weitere Wanderfahrten zu organisieren.

Würdigung Johann Jakob Ess

Johann Jakob Ess (1889-1968) war ein unermüdlicher Förderer des Wandern im Allgemeinen und der beschilderten Wanderwege im Besonderen. Sein schaffen war pionierhaft: Gründungsmitglied der Zürcherischen Arbeitsgemeinschaft für Wanderwege Z.A.W sowie der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für Wanderwege S.A.W, Planer und Markierer der Wanderwege, Geschäftsführer, Wanderbuchautor, Wanderleiter usw. Am 30. April 1962 verlieh ihm die Medizinische Fakultät der Universität Zürich die Ehrendoktorwürde. Zu Ehren von Johann Jakob Ess und zu dessen 10. Todestag wurde zwischen dem Vorderen Pfannenstiel und nördlich Toggwil der Jakob Ess-Weg feierlich eingeweiht. Zusätzlich erinnert dort ein Gedenkstein an den Begründer und unermüdlichen Förderer der Wanderwege.

Bundesverfassungsartikel schafft Rechtsgrundlagen

Als Meilenstein in der Geschichte des Wanderns gilt das Jahr 1979. Seit 1979 ist das Wanderwegweisen in der Bundesverfassung und seit 1985 im Bundesgesetz über Fuss- und Wanderwege FWG geregelt.

Zwei Grosse Z: Zürcher Kantonalbank und Zürcher Wanderwege

Bereits in den 1970er-Jahren beschloss die Zürcher Kantonalbank, die Volksgesundheit und den schonenden Umgang mit der Natur zu fördern. Sie publizierten Wanderprospekte und geführte Wanderungen. Erfahrene Wanderleiter*innen und das Wissen über die Wanderwege dazu erhielten sie von den Zürcher Wanderwegen. Im Jahr 2000 unterzeichneten die Zürcher Wanderwege und die ZKB eine gemeinsame Sponsoringvereinbarung mit dem Zweck, das Wandern zu fördern und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. 2001 erschien das erste gemeinsame Wanderprogramm mit dem gesamten Jahresprogramm an geführten Wanderungen und Wanderferien. Dieses Wanderprogramm erfreut bis heute die Zürcher Bevölkerung und animiert, sich in der Natur zu bewegen.

Wir sagen danke für die treue Partnerschaft und grossartige Unterstützung während den letzten Jahren.

Wegweisend seit 1933.

Wir freuen uns, auch künftig als gemeinnütziger Verein für ein attraktives, sicheres und einheitlich signalisiertes Wanderwegnetz im Kanton zu sorgen und euch im Jubiläumsjahr auf 59 geführten Touren in der ganzen Schweiz zu begleiten.

Unsere nächsten geführten Wanderungen